Offener Brief der Hamburger Initiative gegen Antisemitismus an das Bürgerhaus Wilhelmsburg

 

Mit Ihrem Festival „Hastam“, bei dem Sie Werken von exiliranischen Künstler:innen einen Raum gegeben haben, wollten Sie, wie Sie bei Ihrer Eröffnungsrede gesagt haben, „Menschen zueinander bringen“. „Menschen zueinander bringen“ – was kann das im Kontext des andauernden Konfliktes im Nahen und Mittleren Osten bedeuten? Sie haben sich auf jeden Fall entschieden, lieber Albert Wiederspiel, den langjährigen Leiter des Filmfests Hamburg, für die Eröffnung absagen zu lassen, als Künstler:innen bei ihrem Festival nicht auftreten zu lassen, die eine Petition unterzeichnet haben, deren Einseitigkeit Sie zwar benennen, daraus notwendige Konsequenzen aber offenbar nicht ziehen wollten. Albert Wiederspiel hatte bereits im November unter dem Eindruck des Schweigens großer Teile des Kulturbetriebs in Deutschland zu dem Überfall vom 7. Oktober seiner Fassungslosigkeit Ausdruck verliehen.


Die „Einseitigkeit“ eines Textes erschiene vor dem Hintergrund einer Parteilichkeit für Menschen, die einem am Herzen liegen, sei es in Israel oder Gaza, vielleicht verständlich. „Einseitigkeit“ ist allerdings nicht unbedingt das, was an der Petition, die mit Golnar Shahyar, Hoda Aminian, Mahtab Mahboub und Maryam Palizban immerhin zwanzig Prozent der an Ihrem Festival beteiligten Künstler:innen unterschrieben haben, das Problematischste ist. In dem Schreiben wird auf hasserfüllte, diffamierende, leugnende Weise gegen den Staat Israel und seine Bewohner:innen gehetzt, indem durchgehend mit Begriffen wie „Besatzung“, „Völkermord“, „Genozid“, „Siedlerkolonialismus“ und „Apartheid“ operiert wird. Für eine solche Sichtweise, in welcher der jüdische Staat nur eine „Besatzung“ ist, auf deren Verschwinden hingemordet werden soll, gibt es ein Wort: Antisemitismus.

 

Dass Sie es nicht schaffen, sich von Menschen klar zu distanzieren, die keinerlei Ausdruck des Mitgefühls finden mit den Opfern, die entweder von Hamas-Mitgliedern oder denjenigen anderer palästinensischer Kampforganisationen vergewaltigt, verstümmelt, bestialisch ermordet oder während der gesamten Zeit seit dem 7. Oktober unter kaum vorstellbar unmenschlichen Bedingungen in den Terrortunneln Gazas gehalten werden, ist zuvorderst ein unglaubliches moralisches und politisches Armutszeugnis Ihrerseits. Gleichzeitig machen Sie sich gemein – mit Menschen, die ihre Verachtung gegenüber Israel und seinen Einwohner:innen weiterhin als „Widerstand“, als „Solidarität gegen Unterdrückungssysteme“ bezeichnen und noch die infame Unverschämtheit besitzen, ihre hasserfüllte Ideologie in die Nähe der feministischen Revolution „Frau, Leben, Freiheit“ zu stellen. Im Iran kämpfen Menschen unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit seit zwei Jahren gegen Regimegewalt, bei denen Frauenkörper auf sehr ähnliche Weise misshandelt werden wie diejenigen, die am 7. Oktober in die Hände der Hamas und anderer palästinensischer Organisationen fielen. Als die Behörden der Islamischen Republik am 1. Oktober 2022 den Leichnam der von ihnen getöteten Nika Shakarami ihren Angehörigen übergaben, war ihre Nase zerschmettert, ihr Schädel gebrochen und zerfallen. Nika Shakarami wurde nur 16 Jahre alt. Die Morde an den israelischen Besucherinnen des Nova-Festivals am 7. Oktober, begangen von palästinensischen Kämpfern aus entfesseltem Hass gegen Frauen und Juden, stehen in einer Reihe mit dem Mord an Nika durch die islamische Republik.

 

Wenn sich mit Atena Eshtiaghi, der Kuratorin Ihres Festivals, jemand „für die Rechte iranischer Frauen einsetzt“, aber nicht sieht, dass diese von dem gleichen islamistischen Hass betroffen sind, den von ihr kuratierte Künstler:innen nicht nur dulden, sondern verteidigen und fordern, dann steht sie für eines ganz sicher nicht: für Jin Jiyan Azadî, den Ruf der Frauen und ihrer Verbündeten im Iran, die sich gegen die islamistische Unterdrückung auflehnen. Das Bürgerhaus Wilhelmsburg hat eine Chance verstreichen lassen, sich dafür einzusetzen, „Menschen zueinander zu bringen“. Schade.

 

 

Hamburg, 4. September 2024

 

Hamburger Initiative gegen Antisemitismus

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